Ausgesetzt in der nächtlichen Toskana

Die herbstliche Toskana ist eine wunderbare Landschaft mit traubenschweren, in allen Farben glühenden Weinbergen, grünen Pinienwäldern und sich in engen Kurven und steilen Anstiegen hindurchwindenden, schmalen Sträßchen. Der Katharinen-Chor auf Konzertreise in Florenz hatte sich wohlgemut weit ins schöne Land hinein aufgemacht, um ein Weingut mit Gastronomie heimzusuchen.
Ein Bus wurde gechartert und mit vager Weg- und Zielbeschreibung ging es los – voll Gottvertrauen. Die Straße wurde immer enger, kurviger und steiler. Der Busfahrer schwitzte und schimpfte, denn wie sich schnell herausstellte, war auch ihm diese Gegend völlig unbekannt. Es wurde uns schnell klar: Diesen Weg konnten wir im Dunkeln ganz sicher nicht zurückfahren. Blieb also die spannende Frage, ob es überhaupt einen anderen Weg zurück gab?!
Mit einiger Verspätung erreichten wir schließlich unser Ziel, der Hausherr beruhigte die aufgeregte Schar: „Ja es gibt einen besseren Weg zurück!“ Und so widmeten wir uns entspannt den gereichten Spezialitäten in fester und flüssiger Form.
In Hochstimmung machten wir uns dann in wolkenverhangener, stockdunkler Nacht fröhlich auf den Rückweg nach Florenz. Ganz schnell herrschte im Bus jedoch äußerst gespannte Ruhe, gelegentlich unterbrochen von erleichtertem Beifall, wenn der Fahrer wieder einmal eine zu enge Kurve auf vom Regen glitschigen Boden nach etlichem Vor und Zurück im Kriechgang gemeistert hatte. Dann jedoch ein steiler Anstieg, die Räder drehten durch und der Bus näherte sich mit bedenklicher Neigung dem Straßengraben.
„Alles aussteigen und die Männer schieben!“ Wir schafften es, der Bus kam frei und mit gemischten Gefühlen sahen wir die Rücklichter des Busses in kurvenreicher Berganfahrt entschwinden. Die Begeisterung für die stockdunkle, matschige Toskana hielt sich wohl in diesem Moment in engen Grenzen. Schließlich fanden wir auch den Bus wieder und konnten dieses Abenteuer glücklich beenden.
Eins ist jedoch sicher: Der Busfahrer fährt nie wieder in diese Gegend!
Wilfried Wünsche